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Was mich die Fichte über die Gegenwärtigkeit und das sich Sorgen lehrte

Und was du beachten solltest, wenn du mit Bäumen sprechen möchtest :-)

Foto eines Fichtenastes im Gegenlicht

 

Seit einigen Jahren tobt im Bayerischen Wald der Borkenkäfer und rafft in immer neuen Schüben und innerhalb kürzester Zeit hunderte von Fichten dahin. Für mich schwer auszuhalten. Denn meine bisher innigsten und liebevollsten Begegnungen mit Bäumen waren die mit den Fichten. Sie empfinde ich als ganz besonders liebevoll und warmherzig, als geduldig und verbindend. 

 

Inzwischen sind einige von meinen liebsten Fichten, mit denen ich viele Gespräche geführt und von denen ich reichen Rat geschenkt bekommen habe, abgestorben. Einige von ihnen wurden über 130 Jahre alt, waren dick und mächtig. Unfassbar stark erschienen sie mir. Doch ein kleiner Käfer brachte sie  innerhalb weniger Wochen zu Fall. 

 

Mittlerweile grünt und blüht es schon wieder im Wald. Der Boden wird von fleißigen Brombeerpflanzen, von kleinen Bäumchen und Sträuchern überwuchert, und es zeigt sich, dass ein ganz neuer, anderer Wald entsteht. Kein dunkler Fichtenwald mehr. Ein bunter, lichter Mischwald wird da von Eichhörnchen, Vögeln und Waldbesitzern kreiert. Das ist wundervoll anzusehen und wärmt durchaus mein Herz, doch bleibt die Trauer um die mir liebgewonnenen und verstorbenen Fichten. 

 

Auf einem meiner Spaziergänge nahm ich denn auch mit schwerem und von Sorge um die verbliebenen Bäumen erfüllten Herzen Kontakt zu einer alten, knorrigen Fichte auf. Sie begrüße ich allzu gern. Denn ihre außergewöhnliche von Moos bewachsene Gestalt fasziniert mich immer wieder von neuem. Ein wenig erinnert sie mich an ein Mammut. 

 

Doch an diesem Tag sollte es mir nicht so recht gelingen, mich mit dieser Fichte zu verbinden. Die übliche lichtvolle und freudige Wärme in meinem Herzen, die mir immer signalisiert, dass ich in Kontakt mit einem Baum bin, wollte sich nicht einstellen. Ich war irritiert. Ob es daran lag, dass ich schon länger nicht mehr mit den Bäumen gesprochen hatte? War ich aus der Übung?

 

Ich fragte die Fichte, was ich tun könnte, um mit ihr in Verbindung treten zu können und ob sie das überhaupt wollte. Und ihre Antwort war überwältigend einfach, überaus eingängig und seeehhhr erkenntnisreich!

 

Sorge macht uns klein - Sorge katapultiert uns aus der Gegenwärtigkeit

Die Fichte teilte mir mit, sie wolle keinen Kontakt zu mir herstellen, weil ich ihr ängstlich um ihr Wohl besorgt begegnen würde. Und in der Tat, war ich bei der Kontaktaufnahme zu dieser Fichte voller Sorge um sie gewesen, hatte ich doch in ihrer Nachbarschaft einige vom Borkenkäfer befallene Bäume entdeckt.

 

Dieser sorgenvolle Kontakt würde sie schwächen, meinte die Fichte. Und aus Selbstschutz würde sie deshalb den Kontakt zu mir unterbinden. Nur wenn ich voller Freude und ganz im Moment wäre, würde sie sich mit mir verbinden.

 

Gleich wurde mir bewusst, dass meine Freude immer schon meine "Eintrittskarte" für einen Dialog mit einem Baum gewesen war. Natürlich! Ich war immer voller Dankbarkeit und Entzücken gewesen, wenn ich mich einem Baum zugewandt hatte. Voller Begeisterung für seine Schönheit und Einzigartigkeit. Oder aber voller Dankbarkeit und Wertschätzung für seine spürbare Weisheit und Kraft. 

 

Und so verband ich mich gleich wieder mit genau diesen Gefühlen. Den Gefühlen von Freude, die mir aus dem Herzen springt. Von Dankbarkeit, die mein Herz erstrahlen lässt, von tiefer Wertschätzung und Demut. Und zack, war die Herzensverbindung zu der Fichte hergestellt und wir konnten miteinander wieder das Leben feiern und Energie austauschen. Wundervoll!

 

Ich war wieder im Hier und Jetzt. Ganz im Moment, gegenwärtig. Und ich wurde mir (wieder einmal) dessen bewusst, wie Sorge aus einer Projektion, aus einem ängstlichen Gedanken an eine mögliche Zukunft entsteht, die sich zwar so realisieren kann, aber gar nicht muss. Wie Sorge aus einem Widerstand gegen einen Schmerz geboren wird und in die Zukunft projiziert wird. Und wie herrlich entspannt und freudig es im Jetzt ist. Im Jetzt gibt es keine Sorge! Welch eine reiche Erinnerung an längst gewonnene und leider wieder verschüttete Weisheit!

 

Denn natürlich ist diese Erkenntnis nicht neu für mich. Natürlich habe ich mich damit längst befasst. Und doch: Wenn die Bäume mir eine Erinnerung an einfache, alte Weisheiten vermitteln, dann sind diese Erinnerungen und Erkenntnisse so ungeheuer intensiv und kraftvoll, dass sie sich auf all meinen Seinsebenen zu verankern scheinen. All meine Licht- und Schattenseiten durchdringen, all meine Zellen erreichen, mein Energiefeld durchströmen, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft erfassen. 

 

Wahre Liebe schenkt Vertrauen

Und dieser nur wenige Minuten dauernde Austausch mit der Fichte hat mir noch etwas ungeheuer kraftvoll und lebendig in Erinnerung gerufen, was wir alle wohl längst wissen: Nämlich, was wahre Liebe bedeutet.

 

Wie oft sorgen wir uns um unsere Liebsten. Wie oft haben wir Angst um sie. Und wie leicht verwechseln wir dieses Sorgen mit Liebe. Doch das Sorgen macht klein, raubt uns und dem anderen unsere Kraft und unseren Mut! Das durfte ich selbst schon allzu oft erleben, wenn sich die Familie oder Freunde um mich gesorgt haben.

 

Wahre Liebe hingegen akzeptiert den anderen genau so wie er ist und akzeptiert auch das Leben genau so wie es ist. Wahre Liebe schenkt Vertrauen, dass der andere (oder man selbst) sein Leben zu meistern weiß und an seinen Aufgaben wachsen wird. Wahre Liebe vertraut auf das Leben, Wachsen, Werden und Vergehen. Wahre Liebe weiß, dass das Leben zwar nicht immer schmerzfrei, aber immer für uns ist und alles zu unserem höchsten göttlichen Wohle geschieht. 

 

Immer wenn ich mich nun dabei ertappe, mich um jemanden oder mich selbst zu sorgen, dann rufe ich mir nun die Begegnung mit der Fichte in Erinnerung und zack, bin ich wieder im Jetzt, in meinem Herzen, das voller Freude, Dankbarkeit und kindlicher Entdeckerlust steckt. Und zack sind alle Sorgen verflogen. Danke, liebe Fichte! So macht das Leben Spaß. :-)

 

Alles Liebe, deine Inga

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